Vor genau einer Woche nahm ich an der kanadischen Gedenkfeier anlässlich des 100. Jahrestages der Schlacht von Vimy teil. Die Bedeutung der Schlacht für die kanadische Historiografie und meine kritische Betrachtung habe ich bereits erläutert.
Doch wie verhielt sich nun das Erlebnis vor Ort zu meiner Erwartungshaltung?
Das Grundkonzept der Feier war sehr modern. Die Programmpunkte wurden in vier Akte gegliedert, zwischen den Akten wurde aus Feldpostbriefen vorgelesen. Anglo-Kanadier, Franco-Kanadier und aboriginal people (die deutsche Übersetzung „Ureinwohner“ erscheint mir hier unpassend) waren als Musiker vertreten und sangen auf Englisch, Französisch und Inuktitut. Begleitet wurden sie dazu teilweise von einer Ausdruckstanz-Gruppe. Das militärische Protokoll war auf das Minimum reduziert, mehr Reduzierung ist bei staatlichen Gedenkfeiern leider nicht möglich.
Doch ein modernes Konzept hilft nicht, wenn es dermaßen an der Realität vorbeigeht. Die Reden waren auf dem Niveau europäischer Gedenkfeiern in den 1920er Jahren. Die eigenen Opfer wurden betont, die eigene Nation hochgehalten und Soldaten zu Helden stilisiert, die für eine gute Sache gestorben sind. Das klang dann in der Rede von Justin Trudeau zum Beispiel so:
Consider:
The price they paid.
The burden they bore.
The country they made.
Christoph Cornelißen hat 2012 die antiquierte deutsche Erinnerungskultur folgendermaßen definiert:
„Dazu gehört, um nur wenige Beispiele zu nennen, das Schweigen über die konkreten Kriegserfahrungen sowie, eng damit verbunden, die Mythisierung des konkreten Kriegserlebnisses. Gleichermaßen sticht die starke Konzentration auf die jeweils „eigenen” Opfer ins Auge.“
Hier zeigt sich, dass die kanadische Erinnerungskultur irgendwie vor mindestens 70 Jahren stecken geblieben ist, zugunsten eines Mythos, der die Nation einen soll.